Massive Kritik erfährt der kürzlich veröffentlichte Vorschlag der EU-Kommission zur Neugestaltung des Saatgutrechts. Die Bedenken, die von Umwelt- und Landwirtschaftsverbänden geäußert werden, konzentrieren sich auf die Richtlinien zur Erzeugung und Vermarktung von Pflanzen- und Forstvermehrungsgut. Insbesondere das umfassende Recht am eigenen Saatgut und der Erhalt der Kulturpflanzenvielfalt werden in Frage gestellt.
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EU-Saatgutrechtsreform: Impulse für Nachhaltigkeit im Green Deal
Trotz der laufenden Kontroverse betonen Unterstützer nachdrücklich die Wichtigkeit einer Überarbeitung des EU-Saatgutrechts, insbesondere im Kontext des europäischen Green Deals und der Biodiversitätsstrategie. Vertreter der kleinbäuerlichen und ökologischen Landwirtschaft schließen sich dieser Ansicht entschieden an und unterstreichen die dringende Notwendigkeit einer Reform. In einem Schreiben, das Ende Mai veröffentlicht wurde, erhielt der Reformvorschlag die Unterstützung von 38 Organisationen aus den Bereichen Landwirtschaft und Saatgut. Sie fordern eine Absicherung der kleinbäuerlichen und ökologischen Saatgutsysteme sowie eine Stärkung der Position dieser Akteure im Vergleich zur Agrarindustrie. Besonderes Augenmerk liegt auf der Förderung einer breiteren genetischen Kulturpflanzenvielfalt, die als Schlüssel zur Stärkung der Klimaresilienz der Landwirtschaft angesehen wird. Sorten, die an ökologische Anbausysteme angepasst sind, könnten dazu beitragen, den Einsatz von Pestiziden zu reduzieren.
Fokus auf Technik: EU-Saatgutreform legt Schwerpunkt fest
Der vorgelegte Gesetzesentwurf lenkt die Aufmerksamkeit auf technische Details und weicht somit von den Erwartungen vieler Unterstützer ab. Die geltenden Rechtsvorschriften für die Saatgutproduktion und -vermarktung sollen im Wesentlichen beibehalten werden. Kritiker äußern die Sorge, dass industrielle Hybridsorten möglicherweise gegenüber regionalen und traditionellen Sorten bevorzugt werden könnten. Der „Dachverband Kulturpflanzen- und Nutztiervielfalt“ fordert die EU-Mitgliedsstaaten auf, den vorgeschlagenen Reformansatz abzulehnen.
Kontroverse um Green Deal-Ziele: Nachhaltigkeitsziele hinterfragt
Von Kritikern wird die Integration des Gesetzesentwurfs in den Green Deal als widersprüchlich angesehen. Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament, betont, dass die Präsentation der Gesetzesvorschläge als Förderung der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen von Pflanzen und Böden eher ironisch wirkt.
Fokus auf Technologie zur Effizienzsteigerung statt Verwaltung
Im Rahmen einer umfassenderen Strategie für nachhaltige Ressourcennutzung verfolgt die EU-Kommission mit diesem Reformvorschlag das Ziel, Verwaltungsaufwand zu minimieren und Effizienz in Registrierungs- und Zertifizierungssystemen zu optimieren. Die Zusammenführung von elf Richtlinien in zwei soll Kohärenz und Synergien schaffen, wobei der Schwerpunkt auf neuen gentechnischen und genomischen Verfahren (NGT) liegt, die die Pflanzensortenentwicklung vorantreiben.
Balance zwischen industriellen Sorten und ökologischer Vielfalt?
In der Debatte hebt die EU-Kommission hervor, dass die derzeitigen Zulassungsvorschriften für ökologische und Erhaltungssorten zu einschränkend sind. Die Befürworter des Vorschlags begrüßen zwar die geplanten Anpassungen, plädieren jedoch für klare Definitionen und einheitliche Regelungen in der gesamten EU. Die Kritiker befürchten, dass die EU-Kommission stärker auf Bioingenieurtechnik setzt anstatt auf regionale Vielfalt bei Kultursorten als Reaktion auf den Klimawandel.
Eigenes Saatgut: Einschränkungen sorgen für Diskussion
Die Kritik von Magdalena Prieler von ARCHE NOAH am Entwurf der Kommission ist vielschichtig. Sie unterstreicht, wie Agrochemie-Konzerne bereits einen beachtlichen Anteil des weltweiten Saatgutmarkts dominieren. Die Besorgnis dreht sich um die mögliche Folge, dass globale Unternehmen die Ernährungskontrolle übernehmen könnten. Trotz der Ankündigung, die Erhalter der Kulturpflanzenvielfalt zu schützen, würden administrative Barrieren die Saatgutweitergabe erschweren. Kritiker verlangen eine Respektierung des Völkerrechts, welches Kleinbauern das Recht gewährt, landwirtschaftlich gewonnenes Saatgut zu nutzen, zu tauschen und zu verkaufen.
Gemischte Reaktionen auf Reformziel: Bedenken überwiegen letztendlich
Trotz des erklärten Reformziels im Kontext des EU-Saatgutrechts bestehen erhebliche Bedenken. Kritiker äußern die Sorge vor einer Dominanz industrieller Sorten, was einen möglichen Verlust der Saatgutvielfalt zur Folge haben könnte. Die Debatte wirft wichtige Fragen auf: Inwiefern harmoniert der Vorschlag mit den Ambitionen des europäischen Green Deals und werden die Interessen der ökologischen sowie kleinbäuerlichen Landwirtschaft ausreichend berücksichtigt? Die vorgetragene Kritik verdeutlicht, dass der Weg zur Gestaltung einer nachhaltigen Saatgutregulierung nach wie vor umstritten ist und weiterhin gründlich diskutiert werden muss.